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»Reichsverderber Fridericus« und der Postminister

Im Sommer 1927 sorgte eine für den 1. Oktober vorgesehene drastische Erhöhung der Postgebühren für heftige Diskussionen. Besonders die Wirtschaft beklagte die steigenden Betriebskosten in ohnehin schwierigen Zeiten.

»Reichsverderber Fridericus« und der Postminister

Im Sommer 1927 sorgte eine für den 1. Oktober vorgesehene drastische Erhöhung der Postgebühren für heftige Diskussionen. Besonders die Wirtschaft beklagte die steigenden Betriebskosten in ohnehin schwierigen Zeiten.

ULK, 56. Jg. / Nr. 18, 6.5.1927, S. 134
Patriotismus

»Meine Herren, der Kampf gegen die Porto-Erhöhung ist auchso eine demokratische Entgleisung. Unsere geliebte Fridericus-Marke kann gar nicht hoch genug bezahlt werden.«

Bei einer Veranstaltung der rechtskonservativen  »Deutschnationalen Volkspartei« (DNVP) betont der Redner die mit Geld nicht zu beziffernde Bedeutung König Friedrichs II. von Preußen für das Deutsche Reich.

Duwdiwani spielt in seiner Karikatur zu den Postgebühren auf einen Vorgang an, der nur wenige Monate zurücklag. Am 1. November 1926 war eine neue Briefmarkendauerserie der Deutschen Reichspost unter dem Titel »Köpfe berühmter Deutscher« erschienen. Diese waren Goethe (2x), Schiller, Beethoven (2x), Kant, Lessing, Leibniz, Bach und Dürer. König Friedrich II. von Preußen hatte Reichspostminister Karl Stingl (1864–1936) von der »Bayerischen Volkspartei« (BVP), der süddeutschen Schwesterpartei des katholischen Zentrums, in diese Reihe allerdings auch mit aufgenommen.

Michel Nr. 390 © MICHEL, Schwaneberger Verlag GmbH, Germering
»Köpfe berühmter Deutscher«

Eine Briefmarkendauerserie der Deutschen Reichspost, die am
1. November 1926 erschienen und bis zum 30. Juni 1933 gültig war. Die 10-Pfennig-Marke von Friedrich II. war nach einem Gemälde von Anton Graff (1736–1813) gestaltet worden.

Michel Nr. 385 bis 387, 389 bis 397. © MICHEL, Schwaneberger Verlag GmbH, Germering

Otto Braun (1872–1955), der sozialdemokratische Ministerpräsident des Freistaates Preußen, kritisiert »daß seit geraumer Zeit die Person Friedrichs des Großen, ebenso wie die Farben des früheren Reiches, dazu benutzt werden, um nicht nur nationalistischen Treibereien förderlich zu sein, sondern auch um die Republik in den Augen der Bevölkerung herabzusetzen«. Der politische Druck durch die um die Sicherung der republikanischen Verfassung besorgten Kräfte stieg, und Reichspostminister Stingl musste schließlich Ende Januar 1927 zurücktreten.

Morgenausgabe der Berliner Volks-Zeitung vom 30.1.1927
Reichsverderber Fridericus

Der badische Staatspräsident Heinrich Köhler (1878–1949) hatte kommentiert, es sei eine »schwere Entgleisung der Reichspost« gewesen, das Bild eines Mannes zu verwenden, der »von einer objektiven Geschichtsschreibung als Reichsverderber gekennzeichnet ist.«

Friedrich II. als Symbolfigur des Nationalsozialismus
Michel Nr. 479 bis 481. © MICHEL, Schwaneberger Verlag GmbH, Germering

Am 12. April 1933, wenige Wochen nach der Machtübernahme, wurde eine neue Briefmarkendauerserie in Umlauf gebracht, die nun bei allen Werten den Kopf Friedrichs II. zeigte. Die Vorlage war ein Holzstich von Adolf Friedrich Erdmann von Menzel (1815–1905) aus dem Jahr 1859.

Propagandapostkarte der NSDAP
Entwurf: Hans vom Norden. Verleger: Johannes Böttger. © I. Desnica/Deutsches Historisches Museum, Berlin

König Friedrich II. (1712–1786), Reichskanzler Otto von Bismarck (1815–1898), Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847–1934), Reichskanzler Adolf Hitler (1889–1945).

Manfred Knedlik: Reichspostminister Dr. Karl Stingl. Ein Beitrag zur Postgeschichte der Weimarer Republik. In: Archiv für deutsche Postgeschichte. H. 1/1992, S. 46–52.

Leonore Koschnick / Arnulf Scriba / Thomas Weissbrich (Hg.): Friedrich der Große. Verehrt, verklärt, verdammt. Katalog zur Ausstellung des Deutschen Historischen Museums. Stuttgart 2012.