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Die Ehe und das Schuldprinzip

In der Weimarer Republik wurde eine heftige Diskussion um die Novellierung des Ehe- und Scheidungsrechts geführt. Da nach dem christlichen Verständnis die Ehe grundsätzlich lebenslang angelegt war, listete das »Bürgerliche Gesetzbuch« (BGB), das am 1. Januar 1900 in Kraft getreten war, die erforderlichen schwerwiegenden Gründe für eine Ehescheidung auf: Ehebruch, Lebensgefahr, bösliches Verlassen, Verletzung der ehelichen Pflichten und Geisteskrankheit. Im Falle einer Scheidung wiesen die Richter hiernach einem der Partner die Schuld zu.

Die Ehe und das Schuldprinzip

In der Weimarer Republik wurde eine heftige Diskussion um die Novellierung des Ehe- und Scheidungsrechts geführt. Da nach dem christlichen Verständnis die Ehe grundsätzlich lebenslang angelegt war, listete das »Bürgerliche Gesetzbuch« (BGB), das am 1. Januar 1900 in Kraft getreten war, die erforderlichen schwerwiegenden Gründe für eine Ehescheidung auf: Ehebruch, Lebensgefahr, bösliches Verlassen, Verletzung der ehelichen Pflichten und Geisteskrankheit. Im Falle einer Scheidung wiesen die Richter hiernach einem der Partner die Schuld zu.

Der/die »Schuldige« konnte in der Folge keine finanziellen Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Ehepartner oder der ehemaligen Ehepartnerin geltend machen. Diese Regelung brachte insbesondere die damals meist nicht erwerbstätigen Frauen in finanzielle Nöte. Auch verlor der schuldige Teil häufig das Umgangsrecht mit den Kindern.

Bürgerliche Hochzeit um 1930
ansichtskarten-lexikon.de, Dresden
Moderne Ehescheidung
1911, Schoeneberger Luxuspaper-Industrie Felix Freund (Berlin)

Zur Verabschiedung eines Ehegesetzes, dem unter Beachtung des noch immer vorrangigen Schuldprinzips auch ein Zerrüttungstatbestand hinzugefügt wurde, kam es erst 1938.

In der DDR konnte ab 1955 eine Ehe nach der Feststellung des Gerichts geschieden werden, dass diese »ihren Sinn für die Eheleute, für die Kinder und für die Gesellschaft verloren« hatte. In der BRD führte der Wandel der gesellschaftlichen Ansichten über Ehe, Familie und Scheidung 1976 zur Ersetzung des Verschuldungsprinzips durch ein Zerrüttungsprinzip.

Langweilige Zeiten

»Auch der Ehebruch fängt an banal zu werden. Anständigkeit ist vielleicht augenblicklich noch am reizvollsten!«

Angesichts der Diskussionen um eine Liberalisierung des Scheidungsrechts sorgt sich ein Lebemann mit seiner Geliebten auf dem Schoß, dass nun auch der Ehebruch seinen Reiz – den der juristischen Bewertung – verlieren könnte.

ULK, 56. Jg. / Nr. 14, 8.4.1927, S. 107
ULK, 56. Jg. / Nr. 30, 29.7.1927, S. 230
Schwieriger Fall

»Da geht er kaltlächelnd hin und sagt, ich soll seiner Frau Gesellschaft leisten. Ist er nun wirklich so dämlich oder macht er in Scheidungsrummel?«

Ein Herr ist verunsichert, ob die Aufforderung eines Ehemannes, doch einmal dessen Frau zu besuchen, nur »dämlich« ist oder aber ein geschickter Versuch, angesichts des gültigen Scheidungsrechts einen Ehebruch zu provozieren. Dieser hätte den Ehemann nach dem damals geltenden Scheidungsrecht von finanziellen Forderungen seiner geschiedenen Frau freigestellt.

Kochkünste

»Thusnelda, du kochst vortrefflich Griessklösse, und deshalb habe ich dich auch geheiratet. Aber dass du den Genitiv für ein unanständiges Geheimwort hältst, finde ich direkt albern!«

Die Karikatur beschreibt die Rollenzuweisung der Frau, die offensichtlich nur wegen ihrer Kochkünste geheiratet wurde. Angesichts ihrer mangelnden Sprachkompetenz deutet sich nun allerdings eine Zerrüttung der Ehe an.

ULK 55 Jg. / Nr. 17, 23. April 1926, S. 122
ULK, 55. Jg. / Nr. 11, 12.3.1926, S. 82
Flitterwochen

»›In unseren Flitterwochen hast du nur in meinen Augen gelesen.‹ ›Ach ja – in den Flitterwochen habe ich auch deine blonden Haare runtergeschluckt, die regelmässig in der Suppe schwammen!‹«

Dirk Blasius: Ehescheidung in Deutschland 1794–1945. Scheidung und Scheidungsrecht in historischer Perspektive (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 74). Göttingen 1987.

Thorsten Eitz: »Ehe oder Hölle?« Der Diskurs über Ehe, Eherecht und Partnerschaftsethik. In: Ders. / Isabelle Engelhardt: Diskursgeschichte in der Weimarer Republik Bd. 2, Hildesheim/Zürich/New York 2015, S. 164–219.

Michael Humphrey: Die Weimarer Reformdiskussion über das Ehescheidungsrecht und das Zerrüttungsprinzip. Eine Untersuchung über die Entwicklung des Ehescheidungsrechts in Deutschland von der Reformation bis zur Gegenwart unter Berücksichtigung rechtsvergleichender Aspekte. Göttingen 2006.