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Die »Neue Frau« der Zwanzigerjahre

Der Begriff »Neue Frau« beschrieb am Ende des 19. Jahrhunderts die wachsende Zahl gebildeter und wirtschaftlich unabhängiger Frauen in Europa und in den Vereinigten Staaten, die aus den ersten Frauenbewegungen hervorgegangen war. In den Zwanzigerjahren erfolgte in den kulturellen Zentren wie Berlin oder München nach amerikanischem Vorbild eine Weiterentwicklung der »Neuen Frau«, die nun teilweise abschätzig als »Flapper« (engl.: »jemand, der flattert«) bezeichnet wurde.

Die »Neue Frau« der Zwanzigerjahre

Der Begriff »Neue Frau« beschrieb am Ende des 19. Jahrhunderts die wachsende Zahl gebildeter und wirtschaftlich unabhängiger Frauen in Europa und in den Vereinigten Staaten, die aus den ersten Frauenbewegungen hervorgegangen war. In den Zwanzigerjahren erfolgte in den kulturellen Zentren wie Berlin oder München nach amerikanischem Vorbild eine Weiterentwicklung der »Neuen Frau«, die nun teilweise abschätzig als »Flapper« (engl.: »jemand, der flattert«) bezeichnet wurde.

Die Schauspielerin Joan Crawford (1905–1977) im typischen »Flapper-Look« 1925, WIKIPEDIA free commons

Die »Flapper« setzten sich über Konventionen hinweg, trugen enge, kürzere, nur noch kniebedeckende, modischere Röcke und kurzes Haar, tranken Alkohol, rauchten in der Öffentlichkeit und schminkten sich, was bisher nur bei Schauspielerinnen und Prostituierten gesehen worden war. Zu einer Ikone der »Neuen Frau« wurde die Schauspielerin Marlene Dietrich (1901–1992).

Die Weltwirtschaftskrise und danach das von den Nazis verordnete Frauenbild beendeten diesen Versuch eines weiblichen Aufbruchs in die Moderne.

Filmsterne

»Fabelhaft is die Sonja, aber masslos frech. Verlangt 3000 Dollar die Woche. Ich telegraphiere: ›Akzeptiere mit Vergnügen‹ – was meinen Se, was sie zurücktelegraphiert? – ›Vergnügen extra!‹«

Die weiblichen Stars der Film- und Revuebranche gehörten zu den Spitzenverdienerinnen der Weimarer Republik. Im Showgeschäft entwickelte sich eine ungewohnte Liberalität und sexuelle Freizügigkeit, die besonders in konservativen
Kreisen Ängste vor einem Verlust der Verfügungsgewalt über Frauen weckte.

ULK, 56. Jg. / Nr. 5, 4.2.1927, S. 38
ULK, 55. Jg. / Nr. 8, 19.2.1926, S. 62
VERUNSICHERUNG

»Bin ich Ihnen so wichtig, meine Dame, dass Sie mich vergrössern wollen?«

Verunsichert ist in der Karikatur dieser Mann, der von einer Frau durch ihr Monokel kritisch gemustert wird. Noch bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war das Monokel ein populäres Statussymbol von Männern in höheren Gesellschaftsschichten und besonders auch bei Offizieren beliebt. Um sich als Protagonistin der »Neuen Frau« der Weimarer Republik auszuweisen, diente das Monokel als Accessoire ebenso wie der Bubikopf oder der Hosenanzug.

Spendable Herren

»Besten Dank für die Tasse ›Schwarzen‹. Jetzt muss ich mich nach einem Herrn umsehen, der mir Kuchen spendiert!«

Da es an qualifizierten Ausbildungsmöglichkeiten wie auch an Arbeitsplätzen mangelte, mussten Frauen und Mädchen den meist schlecht bezahlten Frauenberufen im Büro, im Verkauf oder in der Produktion nachgehen. Aber häufig reichte das Einkommen nicht aus, um damit gerade in einer Metropole wie Berlin den Lebensunterhalt zu bestreiten. Als Ausweg blieb in vielen Fällen nur die Prostitution.

ULK, 55. Jg. / Nr. 8, 19.2.1926, S. 62
ULK, 56. Jg. / Nr. 11, 18.3.1927, S. 83
Schönheitspflege

»Wenn ich meine Frau mal sehen will, geh‘ ich mit ihr zum Ball. Zu Hause liegt sie nur in Wickelpackung und schwitzt Kalorien aus!«

Da das Diktat der Mode in den Zwanzigerjahren schlanke Frauen forderte, ist die Ehefrau eines wohlbeleibten Mannes vollauf mit Maßnahmen zum Abnehmen beschäftigt.

Frank Becker: Die Sportlerin als Vorbild der »neuen Frau«. In: Sozial- und Zeitgeschichte des Sports 8 (1994), H. 3, S. 34–55.

Julia Bertschik: Weibliche Pioniere. Neusachliche Frauentypen zwischen Wunschtraum und Selbstreklame in der Literatur der Weimarer Republik. In: Der Deutschunterricht 2006, H. 4, S. 5–13.

Marieluise Fleißer: Eine Zierde für den Verein. Roman vom Rauchen, Sporteln, Lieben und Verkaufen. In: Dies.: Gesammelte Werke, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1994, S. 7–204.

Julia Haungs: Die »Neue Frau« der 1920er. Träume vom selbstbestimmten Leben. Manuskript der Sendung KULTUR NEU ENTDECKEN von SWR2 am 8. Oktober 2020.
Online: www.swr.de/swr2/wissen/die-neue-frau-der-1920er-traeume-vom-selbstbestimmten-leben-swr2-wissen-2020-10-08-102.html

Kirsten Heinsohn: Frauenbewegung in der Weimarer Republik. Digitales Hamburg Geschichtsbuch.
Online: https://geschichtsbuch.hamburg.de/epochen/weimarer-republik/frauen-in-der-weimarer-republik/

Susanne Herzog; Die Neue Frau. In: Die Weimarer Republik. Lebendiges Museum Online 2014. Deutsches Historisches Museum, Berlin.
Online: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/alltagsleben/die-neue-frau.html

Kai Nowak: Projektionen der Moral. Filmskandale in der Weimarer Republik (= Medien und Gesellschaftswandel im 20. Jahrhundert; Bd. 5). Göttingen 2015.

Patrick Rössler: »Es kommt … die neue Frau!« Visualisierung von Weiblichkeit in deutschen Printmedien des 20. Jahrhunderts – ein Bildatlas. Katalog zur Ausstellung der Universität Erfurt 2019.

Sylvia Schraut: Angekommen im demokratisierten »Männerstaat«? Weibliche Geschichte(n) in der Weimarer Republik. In: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte Heft 73–74 / 2018, S. 8–18.