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Professor der Rassenkunde

In einem Brief aus dem Pariser Exil vom 23. April 1934 karikiert Kirszenbaum einen »Professor der Rassenkunde« im Dritten Reiche, ohne diesen namentlich zu benennen. Möglicherweise dachte er dabei an Hans F. K. Günther (1891–1968). Bereits 1922 war Günthers »Rassenkunde des deutschen Volkes« erschienen.

Professor der Rassenkunde

In einem Brief aus dem Pariser Exil vom 23. April 1934 karikiert Kirszenbaum einen »Professor der Rassenkunde« im Dritten Reiche, ohne diesen namentlich zu benennen. Möglicherweise dachte er dabei an Hans F. K. Günther (1891–1968). Bereits 1922 war Günthers »Rassenkunde des deutschen Volkes« erschienen.

Für den sogenannten »«Rasse-Günther« war 1930 auf Betreiben des thüringischen Innen- und Volksbildungsministers Dr. Wilhelm Frick, der der NSDAP angehörte, an der Universität Jena ein Lehrstuhl für Sozialanthropologie eingerichtet worden. Am 15. September 1935 wurden das von Frick, der inzwischen Reichsinnenminister geworden war, in Auftrag gegebene »Reichsbürgergesetz« sowie das »Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre« verabschiedet. Diese »Nürnberger Gesetze« degradierten die deutschen Staatsangehörigen mit jüdischer Abstammung zu Menschen minderen Rechts.

Tuschezeichnung in einem Brief an Paul Citroen vom 23.April 1934 © Bauhaus-Archiv Berlin
Professor der Rassenkunde im Dritten Reiche

An einen Bericht über Bilderverkäufe in Paris hängt Kirszenbaum unvermittelt noch die Karikatur eines nationalsozialistischen »Professors der Rassekunde« an.

Fritz Sauckel (Hg.): Kampf und Sieg in Thüringen. Im Geiste des Führers und in treuer Kameradschaft gewidmet den thüringischen Vorkämpfern des nationalsozialistischen 3. Reiches. Weimar 1934. S. 69.
Hans F. K. Günther (1891 – 1968)

Hitler, der die Einrichtung eines Lehrstuhls für »Rassefragen und Rassenkunde« angeregt hatte, nahm zusammen mit Hermann Göring an der Antrittsvorlesung Günthers in Jena teil. Ab 1935 war Günther ordentlicher Professor für Rassenkunde, Völkerbiologie und ländliche Soziologie an der Universität Berlin. Bei seinem Entnazifizierungsverfahren wurde er zunächst als »Minderbelasteter« eingestuft, nach einem Berufungsverfahren aber 1951 auf »Mitläufer« herabgestuft. Die »American Society of Human Genetics« wählte ihn 1953 zum korrespondierenden Mitglied.

Die Nürnberger Gesetze

Tabelle zur Beschreibung der »Nürnberger Gesetze« vom 15. September 1935 und der Verordnung vom 14. November 1935. Die »Nürnberger Gesetze« bildeten eine pseudowissenschaftliche Grundlage für die Identifizierung von »Rassen«. Nur Menschen mit vier nichtjüdischen deutschen Großeltern (vier weiße Kreise in der oberen Reihe links) waren von »deutschem Blut«. Ein Jude wurde von den Nazis als jemand definiert, der von drei oder vier jüdischen Großeltern abstammte (schwarze Kreise in der oberen Reihe rechts). In der Mitte standen Menschen mit »Mischblut« des »ersten oder zweiten Grades«. Ein jüdischer Großelternteil wurde als eine Person definiert, die jemals Mitglied einer jüdischen Religionsgemeinschaft war. Eingefügt ist eine Liste der erlaubten Ehen (»Ehe gestattet«) und verbotenen Ehen (»Ehe verboten«).

Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst 1935, United States Holocaust Memorial Museum Collection. Wikimedia Commons
Deutsches Historisches Museum, Berlin
Weltanschauungen und Dilettantismus

Der Berliner Sozialpsychologe Dr. Kurt Lewin (1890–1947) veröffentlichte im Oktober 1928 eine Rezension der »Dilettantenarbeit« Günthers. »Nur der Dilettant kann so Unsicheres mit solcher überzeugenden Sicherheit darstellen, daß die Masse aufhorcht und – wenn der Unsinn nur Methode hat – aus dem Inhalt, weil er ihr zusagt, eine Weltanschauung aufbauen.« Die Rezension erschien in der »Central-Vereins-Zeitung, Blätter für Deutschtum und Judentum, Organ des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens«. Gedruckt wurde die C.V.-Zeitung im Verlag von Rudolf Mosse, der auch den »ULK« herausgab, für den Duwdiwani Karikaturen zeichnete.

Cornelia Essner: Die »Nürnberger Gesetze« oder Die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945. Paderborn 2002.

Volker Koop: Wer Jude ist, bestimme ich. »Ehrenarier« im Nationalsozialismus. Köln/Weimar/Wien 2014.

Elvira Weisenburger: Hans Friedrich Karl Günther, Professor für Rassenkunde. In: Michael Kißener / Joachim Scholtyseck (Hg.): Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg (= Karlsruher Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 2). Konstanz 1997, S. 161–199.